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Mehrdad
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Heimat
Als Jüdin
in Deutschland.
Kann dieses Land
Heimat sein?
Sophie berichtet …
Wie fühlen sich Juden im heutigen Deutschland? Können sie sagen: “Deutschland ist meine Heimat”?
Ein Interview mit Sophie D., 50, aus Berlin. Sie ist Jüdin, viele ihrer Verwandten sind im Holocaust ermordet worden. Sie selbst wurde nach dem Ende des 2.Weltkriegs in England geboren und lebt seit über 20 Jahren in Deutschland. Sie ist mit einem Deutschen verheiratet und hat drei Kinder.
Wo ist für Sie Heimat?
Für mich ist das mit recht gemischten Gefühlen verbunden. Ich bin Jüdin, und das heißt: man hat überall und nirgendwo Heimat. Es bleibt einem nichts anderes übrig. Man ist ja überall Außenseiter – auch da, wo man geboren ist.
Sie sind in England geboren und aufgewachsen. Juden können und konnten sich doch in England als Engländer fühlen?
Ja, theoretisch schon. Aber die Realität zeigt, dass es in Krisenzeiten, dann doch nicht so ist. Als während des Zweiten Weltkriegs Juden, die in England viele Generationen oder gar Jahrhunderte gelebt haben, jüdische Emigranten aufnehmen sollten, hatten sie Angst, das zu tun, weil sie befürchteten, ein Anstieg des jüdischen Bevölkerungsanteils könnte bei den Engländern erneut antijüdische Gefühle auslösen.
1933-1937 emigrierten 140.000 europäische Juden.
Quelle: Ginzel, G.B.: Jüdischer Alltag in Deutschland 1933-45, Düsseldorf 1993
1933-1945 wurden zwischen 5.596.000 und 5.860.000 europäische Juden ermordet.
Quelle: Jäckel/ Longerich/ Schoeps: Enzyklopädie des Holocaust, München 1995
Wie verbunden fühlen Sie sich England?
Sehr. Sprachlich zum Beispiel. Mir liegt auch der englische Humor. Und dazu die ganzen Erfahrungen meiner Kindheit. Es geht ja sehr tief. Aber ich war dort auch in gewisser Weise fremd, weil meine Eltern Emigranten waren. Und Juden. Sodass ich das Gefühl, anders zu sein, immer und überall mit mir herumtrage. Das ist nicht neu gewesen, als ich dann in Deutschland war. Vielleicht etwas krasser natürlich.
Und Deutschland?
Das ist für mich ein sehr komplexes Verhältnis. Wegen der Geschichte, der Nazi-Zeit. Da bin ich ja mein Leben lang am Knabbern. Ich fühle mich bis zu einem bestimmten Punkt hier zu Hause. Aber es darf nichts schiefgehen, sonst kommen die ganzen Emotionen hoch. Und ich frage mich: Wieso bist du hier? Wieso bist du nicht in England geblieben? Es ist alles irgendwo unter der Oberfläche. Ich weiß, dass es den deutschen Juden nicht hilft, wenn sie sagen: Wir sind Deutsche und von Religion Juden. Man läßt sie schnell wieder fühlen, daß sie eigentlich nicht zu den Deutschen gehören.
Also lebt es sich für Sie wesentlich unkomplizierter in England?
Ja. In England, wenn ich dorthin fahre und den Mund aufmache, dann kommt keiner drauf, dass ich in Deutschland lebe. Da gehörst du sofort dazu. Und hier mache ich den Mund einmal auf, und durch den englischen Akzent kommt keiner auf die Idee, dass du die Hälfte deines Lebens hier lebst. Du bist dann immer Ausländer. Jeder, der meint, er sei voll integriert, der möchte es gern sein. Aber dass das klappt, bezweifle ich.
Ist das ein Nachteil oder auch ein Vorteil?
Beides. Man bekommt das Gefühl, nirgends dazuzugehören. Was einem aber auch immer einen Vorteil gibt: man bleibt immer ein bisschen auf Distanz und sieht die Sachen eventuell klarer. Du kannst nicht von diesem absolut kopflosen Bauch-Heimat-Gefühl ausgehen, ohne dass da nicht irgendwie eine kritische Stimme dazukommt.
Wie sehen Sie die Diskussion um die doppelte Staatsbürgerschaft?
Ich habe schon gedacht: Jetzt endlich! Jetzt kann ich nach so vielen Jahren endlich zwei Pässe haben, den englischen und den deutschen. Was eigentlich dem entspricht, was für mich wichtig wäre. Weil ich mit einem Fuß in beiden Ländern lebe. Das, was jetzt in Deutschland wieder hochgekommen ist an Gefühlen und Polarisierung – das ist schon sehr enttäuschend. Und ich muss lachen, wie da je ein gemeinsames Europa entstehen soll. Weil ich sehe, dass die Deutschen nach wie vor eine riesige Angst haben vor allem, was anders ist.
Wie ist das mit dem Nationalstolz? In England oder Frankreich scheint er kein Problem. Aber in Deutschland?
Ja, in England feiert man ungehemmt diese nationalen Gefühle. Den Krieg gewonnen zu haben. Im Altersheim, wo mein Vater ist, wird an diesen Tagen alles mit dem Union Jack, der Nationalflagge, dekoriert. Absolut unverständlich, wie sie sich da reinsteigern, mit all den blöden alten Filmen. Wehe, man würde etwas dagegen sagen, gegen das Getue mit Krieg, Nationalismus und dem Fahnen-Raushängen. In Deutschland ginge so ein Nationalstolz gar nicht. ‘Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein’ – das gilt hier schon fast als rechts-extremistischer Spruch. Aber ein Engländer würde nicht zweimal überlegen und sagen: ‘Ich bin stolz, Engländer zu sein.’ Die dürfen das.
Deshalb sagen manche Deutsche, ihre Nationalität bedeute ihnen überhaupt nichts…
Ich denke, sie tun meist nur so. Aber in ihnen drin sieht es vielleicht anders aus.
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